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Die Transformation des Dramas

  • Autorenbild: etc. PP
    etc. PP
  • 22. Sept.
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 23. Sept.

Wie wir Konflikte als Werkzeug für Wachstum verstehen und nutzen können.


Transformation des Dramas
Quelle: Mario Pracht

Konflikte gehören zum Alltag von Führung und Zusammenarbeit. Sie sind anstrengend, manchmal nervend und doch unvermeidlich.

 

Spannend wird es, wenn wir Konflikte nicht nur als Störungen begreifen, sondern als Türöffner für Entwicklung. Genau hier setzt das Zusammenspiel dreier einflussreicher Konzepte an:

 

 

Gemeinsam führen sie zu einer überraschenden Erkenntnis: Destruktives Verhalten speist sich oft aus Tugenden, die ins Übermaß geraten sind.

 

Tugend braucht Balance – die Lehre von Schulz von Thun

 

Friedemann Schulz von Thun hat gezeigt: Werte existieren nie isoliert, sondern stehen in einem lebendigen Spannungsfeld. Sie wirken nur dann WERTvoll und konstruktiv, wenn sie mit ihrer positiven Gegenkraft in Balance stehen.


Quelle: Mario Pracht
Quelle: Mario Pracht

Ohne dieses Gleichgewicht kippt ein Wert (z. B. Sparsamkeit) leicht ins Übermaß (hier: Geiz) und damit ins Gegenteil dessen, was ursprünglich gemeint war.


Die Lösung liegt in der Schwester-Tugend. Sie gleicht aus und stellt Balance her. Wer zu sehr geizt, kommt durch großzügigeres Handeln wieder ins Gleichgewicht. Droht andererseits die Großzügigkeit zur Verschwendung zu entgleiten, stellt Sparsamkeit das rechte Maß wieder her.

 

Genau dieses Prinzip macht das Modell für den Führungsalltag so wertvoll: Es bietet ein leicht zugängliches Werkzeug, um Spannungen zu verstehen und Konflikte konstruktiv zu lösen.


Drama, Drama, Drama – wenn Konflikte im Dreieck springen

 

Konflikte haben ihre eigenen Gesetze. Wer einmal hineingezogen ist, merkt schnell: Es geht plötzlich nicht mehr um die Sache, sondern um Rollen.


Vielleicht kennst du das: Im Meeting macht sich jemand klein und degradiert sich zum Opfer der Umstände, ein anderer drängt sich mit übertriebenen Lösungsvorschlägen auf (Retter) oder eine Kollegin kritisert, dass immer dieselben unvorbereitet erscheinen (Verfolger).

 

Der US-Psychiater Stephen Karpman hat diese typischen Eskalationsmuster bereits 1968 beschrieben. Er nannte es das Drama-Dreieck – ein trügerisches Spiel, das sich selbst am Leben hält und Lösungen blockiert.


Die Krux: Diese Rollen sind nicht nur hinderlich. Für jene, die in diese Rollen schlüpfen, erfüllen sie auch psychologische Funktionen (z. B. sekundäre Gewinne wie Aufmerksamkeit, Macht oder Entlastung).

 

Karpman definierte drei typische Rollen:

 

  • Opfer, das sich hilflos und überfordert fühlt

  • Retter, der übergriffig hilft und Abhängigkeiten schafft

  • Verfolger, der mit Schuldzuweisung und Druck arbeitet

 

Alles Verhaltensmuster, die Konflikte nähren, statt sie zu lösen.


Vom Drama-Dreieck zum Wachstums-Quadrat

 

Das Wachstums-Quadrat knüpft an das Drama-Dreieck an und erweitert das Modell zunächst um eine vierte Ecke: den Richter. Er lebt von ständigem Vergleichen, Bewerten und Verurteilen. Sein Fokus liegt auf Fehlern, Schwächen und Defiziten. So verstärkt er Gefühle von Scham und Selbstzweifeln und hält das Drama damit am Laufen.

 

Alle vier Rollen sind uns vertraut. Sie blockieren Wachstum, erzeugen Abhängigkeit und verstärken Konflikte.


Doch was, wenn hinter jedem Drama etwas Wertvolles verborgen liegt – eine Tugend, die lediglich aus dem Gleichgewicht geraten ist?

 

  • Retter-Rolle: Ursprung ist Fürsorge, doch im Übermaß wird sie übergriffig.

  • Verfolger-Rolle: Aus übertriebener Zielstrebigkeit wird Aggression und Druck.

  • Opfer-Rolle: Aus gesunder Demut wird lähmende Passivität.

  • Richter-Rolle: Aus dem Zuviel an Urteilsfähigkeit wird harsche Abwertung.


Damit wird sichtbar: Nicht das Drama selbst ist das Problem, sondern das Zuviel einer eigentlich wertvollen Haltung.

 

Transformation ins Wachstum

 

Beim Versuch, diesem viereckigen Drama-Dreieck etwas entgegenzusetzten, entstand das Wachstums-Quadrat. Es zielt darauf ab, destruktive Verhaltensmuster zu erkennen und in konstruktive Rollen zu ersetzen:

 

  • Ermöglicher:in (statt Retter): Schafft Räume für Entwicklung (prozessual, materiell und psychologisch)


  • Herausforder:in (statt Verfolger): Lädt Menschen ein, über sich hinauswachsen.


  • Gestalter:in (statt Opfer): Übernimmt Verantwortung und bringt Ideen ins Handeln.


  • Wertschätzer:in (statt Richter): Sieht und würdigt Fortschritte auf dem Weg zum Ziel.

 

Doch Vorsicht: Selbst Wachstum braucht Maß, denn auch diese konstruktiven Rollen können überzogen werden (siehe Grafiken). Ein Zuviel an Möglichkeiten kann Entfremdung mit sich bringen. Herausforderungen können auch überfordern und damit lähmen. Der Wunsch nach Gestaltung kann zu blindem Aktionismus oder Übereifer führen und Wertschätzung in Beliebigkeit kippen.


Die Quadratur des Wachstums - Wie wir Konflikte als Werkzeug für Wachstum nutzen.
Quelle: Mario Pracht

Hebel für Führungskräfte

 

Für Führungskräfte eröffnet das Wachstums-Quadrat ein wirkungsvolles Reflexions- & Handlungsinstrument:

 

  • Selbstreflexion: In welcher Rolle verharre ich? Bin ich im Übermaß unterwegs?

  • Teamdiagnose: Welche Rollen dominieren – und blockieren Entwicklung?

  • Gegensteuern: Was braucht es ganz konkret, um Balance zu schaffen?

 

Kleine Schritte reichen oft aus:

Ein Opfer, das sonst sagt „Da kann ich nichts machen“, wird zum Gestalter, wenn es klar Verantwortung für den nächsten Schritt übernimmt.


Ein Verfolger, der sonst vorwirft „Immer bist du unvorbereitet“, wird zum Herausforderer, wenn er formuliert „Beim nächsten Mal übernimmst du die Zahlen – ich weiß, dass du das kannst“.


Ein Retter, der schnell einspringt mit „Ich mach das für dich“, wird zum Ermöglicher, wenn er stattdessen fragt „Was brauchst du, um es selbst gut zu lösen?“.


Und ein Richter, der kritisch anmerkt „Das war voller Fehler“, verwandelt sich in einen Wertschätzer, wenn er sagt „Deine Struktur ist klarer geworden – lass uns darauf aufbauen“.

 

Die Quadratur des Wachstums als Führungsprinzip

 

Die Kombination der drei Modelle liefert eine klare Botschaft: Konflikte sind kein störender Ausnahmezustand, sondern oft ein Hinweis auf Tugenden im Ungleichgewicht.

 

Dieses Wissen eröffnet Führungskräften und Teams ein dynamisches Verständnis von Konfliktbewältigung:

 

  • Hinter jeder destruktiven Rolle steckt eine Tugend.

  • Drama entsteht, wenn diese Tugend ins Übermaß kippt.

  • Wachstum entsteht, wenn wir die Schwestertugend aktivieren und Balance herstellen.

 

Wer Rollen erkennt, Schwester-Tugenden aktiviert und Balance schafft, verwandelt Drama in Wachstum – für sich selbst, für das Team und für die Organisation.

 

Einfach. Besser. Arbeiten.

Es geht. Versprochen.

 
 
 

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